Mit zunehmender Häufigkeit begegnet man dem Begriff der agilen Unternehmensführung. Dabei wird der Begriff häufig einfach nur als Buzzword, ohne nähere Erläuterung verwendet. Manchmal entsteht dabei der Eindruck, dass der Begriff undifferenziert oder gar inflationär verwendet wird.
Agilität bedeutet mehr Transparenz und Flexibilität
Agilität ist kein neues Thema, es wurde bereits seit den 90er Jahren im Rahmen der Softwareentwicklung verwendet. Aus der Übertragung der Konzepte der agilen Softwareentwicklung auf Managementprozesse ist der Begriff der agilen Unternehmensführung entstanden. Um zu verstehen, was agile Unternehmensführung bedeutet, sollte also zunächst die agile Softwareentwicklung betrachtet werden.
Das Kernziel agiler Softwareentwicklung ist es, mit geringem bürokratischen Aufwand und Regeln zurechtkommen und sich schnell an Veränderungen anzupassen, ohne dabei das Risiko für Fehler zu erhöhen. In der herkömmlichen Softwareentwicklung werden alle Anforderungen im Vorfeld definiert und nach der Softwareentwicklung wird das fertige Produkt an den Kunden übergeben. Dies beinhaltet das große Risiko, dass Missverständnisse oder notwendige Änderungen der Anforderungen erst mit der Auslieferung des Produktes entdeckt werden. Agile Softwareentwicklung setzt dagegen auf einen transparenten Entwicklungsprozess mit einer fortlaufenden engen Abstimmung mit dem Kunden. Das primäre Ziel der agilen Softwareentwicklung ist es, schneller zu besseren Ergebnissen zu kommen. Dies schließt auch explizit Abweichungen von der ursprünglichen Zieldefinition mit ein, soweit dies erforderlich ist. Möglicherweise hätte sich auf diesem Wege auch Lidl's 500 Millionen Euro Desaster vermeiden lassen.
Vier Werte bilden das Fundament der agilen Softwareentwicklung, diese wurden 2001 als Agiles Manifest (Manifesto for Agile Software Development oder kurz Agile Manifesto) formuliert:
- Individuen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen
- Funktionierende Software steht über einer umfassenden Dokumentation
- Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Vertragsverhandlung
- Reagieren auf Veränderung steht über dem Befolgen eines Plans
Dabei wird betont, dass die Werte auf der rechten Seite wichtig sind, die Bedeutung der Werte auf der linken Seite aber höher eingeschätzt wird.
Agilität meint in diesem Zusammenhang sich flexibel an die wandelnden Anforderungen der Kunden und des Marktes anzupassen. Die Entwickler arbeiten meist in selbstorganisierten Teams in enger Abstimmung mit dem Kunden. Bereits Zwischenergebnisse werden immer wieder mit dem Kunden durchgesprochen und an dessen Anforderungen angepasst. So wird der Entwicklungsprozess sowohl transparent als auch flexibel gestaltet.
Mit neuer Führungs- und Fehlerkultur zur agilen Unternehmensführung
Seit einigen Jahren wird versucht, die Erfahrungen aus der agilen Software-Entwicklung, auf Managementprozesse bzw. die Unternehmensführung zu übertragen. Demzufolge müssen Unternehmen für eine agile Unternehmensführung an Transparenz und Flexibilität gewinnen, um sich schnell an sich verändernde Markt- und Kundenanforderungen anzupassen.
Agile Unternehmensführung erfordert ein neues Führungsverständnis
Häufig ist es so, die Mitarbeiter in der operativen Ausführung näher am Puls des Marktes und des Kunden sind als das Management. Es ist daher notwendig, die traditionelle Unternehmensführung neu zu interpretieren. Abteilungsleiter und Manager müssen lernen loszulassen und die hierarchischen Strukturen müssen abgeflacht werden. Dabei gilt zu beachten: Der erste Schritt in eine agilere Unternehmensstruktur ist es, agil zu denken. Das gilt nicht nur für die Führungskräfte, auch für die Mitarbeiter, denn mit Autonomie kann auch Ratlosigkeit einhergehen, daher muss darauf geachtet werden, dass man sich auf die Unterstützung anderer vertrauen kann.
Generell sind Menschen in Führungspositionen der agilen Unternehmensführung dafür zuständig, Rahmenbedingungen zu schaffen, den Mitarbeitern ein Ziel vor Augen zu führen sowie ihnen Raum für die individuelle Weiterentwicklung zu geben. Sie zeigen den Mitarbeitern ein Problem auf, in interdisziplinären Teams werden selbstorganisierte, selbstverantwortliche Lösungsansätze gefunden und Entscheidungen getroffen. Die Teilnehmer können innerhalb der Teams wechseln, so entstehen ein größeres Gemeinschaftsgefühl und ein größerer Wissensaustausch. Die Führungskraft agiert in diesem Umfeld, auf Augenhöhe mit seinen Mitarbeitern. Wer vorher Machthaber war, soll nun zum Vorbild werden. Der Begriff der agilen Unternehmensführung ist so gesehen ein Paradoxon. Werden Mitarbeiter von dem Unternehmen individuell gefördert ist es möglich, dass ein Team Aufgaben wie die Personalauswahl oder Budgetplanung eigenverantwortlich übernimmt.
Agile Unternehmensführung erfordert eine offene Fehlerkultur
Um als Unternehmen agil und flexibel agieren zu können ist es unvermeidlich, getroffene Entscheidungen anzupassen oder zu korrigieren. Dies impliziert, dass sich diese Entscheidungen, zumindest rückblickend, als Fehler erweisen können. Agile Unternehmensführung kann also nur mit einer ausgeprägten offenen Fehlerkultur funktionieren. Sind Fehler direkt mit Schuldzuweisungen verbunden, fehlt in der Regel die Bereitschaft, sich Fehler auch einzugestehen. Es wird dann eher an fehlerhaften Entscheidungen festgehalten, anstatt die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.
Die Vorteile agiler Unternehmensführung
Obwohl die agile Unternehmensführung für viele Unternehmen eine große Umstellung bedeuten kann, lohnt sich der Aufwand. Mithilfe einer agilen Unternehmensführung gewinnen die Mitarbeiter an Autonomie und Verantwortung, dadurch erfahren sie durch Ihre Arbeit eine größere Befriedigung und die Motivation steigt. Es werden schnellere Entscheidungsfindungen ermöglicht, die es erlauben schneller auf Veränderungen der Märkte und individuelle Kundenwünsche reagieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Prozesse fest am Markt orientiert sind. Durch das neue Führungsverständnis und die offene Fehlerkultur wird das Gemeinschaftsgefühl innerhalb des Unternehmens gesteigert.
Der Weg zur agilen Unternehmensführung
Wenn Agilität in einem Unternehmen eingeführt werden soll, muss dies aber nicht direkt im gesamten Unternehmen geschehen. Eine Möglichkeit wäre, die agile Führung in verschiedenen Abteilungen oder im Projektmanagement einzuführen.
Ein sogenannter agile Coach, welcher sowohl Theorie als auch Praxis beherrscht, kann Unternehmen dabei behilflich sein, zu prüfen, ob solche Strukturen (teilweise) im Unternehmen etabliert werden können. Anschließend entwickelt er zusammen mit der Unternehmensführung, konkrete Methoden. Er hilft also dem Unternehmen, sich selbst zu helfen. Eine Patentlösung gibt es an dieser Stelle nicht, da die Problematiken für jedes Unternehmen unterschiedlich sind und so individuelle Lösungen gefunden werden müssen.
Um ein Unternehmen in Ihrer Umsetzung einer agilen Unternehmensführung zu unterstützen, bieten sich auch unterschiedliche Software-Lösungen an. So kann z.B. qmBase als unternehmensinterne Plattform dazu dienen, die Transparenz innerhalb des Unternehmens zu steigern und auf Basis der in dem System aggregierten Informationen schneller Entscheidungen zu treffen.
Die für eine agile Unternehmensführung notwendigen Veränderungen können auf manche sehr riskant und angsteinflößend wirken und sind auch nicht für jedes Unternehmen umsetzbar. Jedoch scheint dieses Modell mit den Veränderungen und Anforderungen des globalisierten, komplexen Marktes und einherzugehen. Langfristig könnte sich die Umstellung von traditionellen auf agile Strukturen aber lohnen.
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