Ein gelebtes Qualitätsmanagement mit Excel? Niemals!

Trifft ein Unternehmen erstmals die Entscheidung, ein Qualitätsmanagementsystem aufzubauen, dann wird für die Dokumente schnell auf die gängigen Bordmittel wie Word und Excel zurückgegriffen. Die Entscheidung ist nachvollziehbar, da diese Lösungen bereits im Haus sind und keine Kosten verursachen. Trotzdem ist die Entscheidung aus unterschiedlichen Gründen ein dramatischer Fehler. Diese Entscheidung hat direkte Konsequenzen für den Erfolg und die Akzeptanz des Qualitätsmanagementsystems. Dieser Beitrag zeigt auf, wieso insbesondere Excel für das Qualitätsmanagement ungeeignet ist und wieso du damit kein gelebtes Qualitätsmanagement aufbauen kannst.  

Während für Prozessbeschreibungen, Verfahrensanweisungen und Formulare in der Regel Word verwendet wird, werden alle übrigen Informationen in Excel dokumentiert. Dies beinhaltet unter anderem Audits, Reklamationen, Maßnahmen, Ziele, Chancen und Risiken, Mitarbeiterqualifikationen und Schulungen. 

An dieser Stelle eine kurze Einordnung vorab: Excel ist ein großartiges Programm zur Tabellenkalkulation, das das Leben von Millionen Menschen dramatisch vereinfacht. Ohne Excel würde unser aller Berufsalltag heute ganz anders aussehen. Aber es ist auch eben nur genau das: ein Programm für Tabellenkalkulation. 

Bei der Entwicklung von Excel hat mit Sicherheit niemand an die umfangreichen Dokumentationsanforderungen von Managementsystemen gedacht.

Einige Schwächen von Excel zur QM-Dokumentation liegen auf der Hand. Aber die wirklich großen Probleme sind nicht ganz so offensichtlich. Hier erstmal die offensichtlichen Schwächen:

Versionskontrolle: Excel-Dateien bieten keine effiziente und transparente Versionierung. 

Zugriffskontrolle: Es ist schwer zu kontrollieren, wer auf die Dokumente zugreifen und Änderungen vornehmen kann. Dies könnte zu ungewollten Änderungen oder zur Offenlegung vertraulicher Informationen führen.

Datenintegrität: Excel-Dokumente sind anfällig für menschliche Fehler, wie das versehentliche Löschen oder Ändern von Informationen.

Kollaboration: Excel unterstützt keine effektive Zusammenarbeit. Mehrere Personen können nicht gleichzeitig an demselben Dokument arbeiten, und Änderungen können leicht übersehen werden.

Rückverfolgbarkeit: Es kann schwierig sein, die Historie von Änderungen der Excel-Dokumente nachzuvollziehen. Dies könnte bei der Auditierung des Qualitätsmanagementsystems problematisch sein.

Ablaufverfolgung: Excel unterstützt keine automatischen Benachrichtigungen oder Erinnerungen an fällige Aufgaben oder überfällige Prozesse.

Der zum Widerspruch neigende Leser mag hier argumentieren, dass eine Umstellung auf Office 365 Abhilfe schaffen kann und generell jedes Problem in Excel mit einem ausreichend komplexen Makro gelöst werden kann. Das mag grundsätzlich richtig sein, aber Makros bringen wieder Ihre ganz eigenen Probleme mit sich und werden daher in diesem Artikel ausgeklammert.

Außerdem liegen die wirklich großen Probleme mit Excel im QM sowieso ganz woanders:

Die Entscheidung für Excel ist eine Entscheidung für Zentralisierung oder Kontext

Viele Daten im Qualitätsmanagement müssen mit Ihrem Kontext dokumentiert werden, das bedeutet, dass Informationen miteinander verknüpft werden müssen. Dadurch werden die Daten zu komplex, um sie in einer zweidimensionalen Tabelle zu speichern. Eine sinnvolle Dokumentationsstruktur im Qualitätsmanagement erfordert immer eine Datenbank.

Sehen wir uns ein einfaches Beispiel an: 

Du möchtest Risiken und Reklamationen dokumentieren. Viele Unternehmen erstellen dann für jeden einzelnen Informationstypen eine eigene Excel-Tabelle, also eine Tabelle für Reklamationen und eine Tabelle für Risiken. Jetzt fordert die ISO, dass zu allen Reklamationen und Risiken die dazugehörigen Maßnahmen dokumentiert werden müssen. Wie lösen wir dieses Problem am besten? Es gibt zwei Optionen: 

  1. Option - Zentralisierung: Wir erstellen eine dritte Tabelle für alle Maßnahmen
  2. Option - Kontext: Wir schreiben die Maßnahmen direkt in die zu den jeweiligen Reklamationen und Risiken

Beide Optionen sind super problematisch.

Option 1 - Zentralisierung

Erstellen wir eine Tabelle für alle Maßnahmen, haben wir eine zentrale Ablage aller Informationen. Für jeden Informationstypen gibt es eine eigene Tabelle. Dies hat den großen Vorteil, dass klar geregelt ist, wo welche Information zu finden ist. Für die Mitarbeiter ist das sehr hilfreich. Problematisch ist jedoch, dass damit der spezifische Kontext jeder einzelnen Maßnahme verloren geht. Wir können so nicht nachhalten, welche Maßnahme zu welcher Reklamation oder zu welchem Risiko gehört. Diese wesentliche Anforderung der ISO nicht zu erfüllen, gibt auf jeden Fall Ärger mit dem Auditor.

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Zentralisierung - Gleiches zu gleichem: Werden unterschiedliche Informationstypen gemeinsam abgelegt, dann wissen die Mitarbeiter immer, wo sie suchen müssen
Option 2 - Kontext

Alternativ schreiben wir die Maßnahmen direkt in die bestehenden Tabellen zu den Reklamationen und Risiken. So kennen wir immer zu jeder Maßnahme den Kontext und wir erfüllen die Anforderungen der ISO. Aber gleichzeitig dezentralisieren wir unsere Maßnahmen. Wir geben damit die zentrale Übersicht über alle Maßnahmen auf. Dies führt zum einen dazu, dass Maßnahmen früher oder später übersehen oder vergessen werden, was ebenfalls Ärger mit dem Auditor gibt. Zum anderen steigert es die Komplexität des Systems. Die Übersicht geht verloren, weil die Maßnahmen dezentral abgelegt sind und nicht auf Anhieb zu erkennen ist, welche Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Dadurch wird das Qualitätsmanagement umständlich und die Akzeptanz der Mitarbeiter sinkt. 

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Kontext - Zusammen, was zusammengehört: Der Zusammenhang zwischen Informationen ist wichtig für die interne Transparenz und für die ISO 9001

Unser Beispiel zeigt, dass wir uns in Excel immer zwischen Zentralisierung und dem Kontext der Informationen entscheiden müssen. Wir haben die Limitationen von Excel also bereits erreicht, obwohl unser Beispiel viele wichtige Dokumentationsanforderungen des Qualitätsmanagementsystems noch gar nicht berücksichtigt - denk an die Audits, Abweichungen, Prozesse, Ziele etc., die ebenfalls dokumentiert werden müssen.

Was uns für eine effiziente Dokumentation fehlt, ist die Möglichkeit, Informationen beliebig miteinander zu verknüpfen. In einer idealen Lösung zentralisieren wir nicht nur die Maßnahmen, sondern auch gleichzeitig die Reklamationen und Risiken. Gleichzeitig brauchen wir zu jeder Information eine Übersicht des Kontextes. Wir brauchen also jeweils eine Tabelle für Maßnahmen, Reklamationen und Risiken. Gleichzeitig brauchen wir eine Übersicht, welche Maßnahmen zu welchen Reklamationen und Risiken gehören und andersherum. Wir brauchen Zentralisierung und Kontext gleichzeitig. 

Eine zweidimensionale Excel kann hier keine praxistaugliche Lösung bieten. Dafür benötigen wir eine Datenbankstruktur, die eine beliebige Verknüpfung von Daten ermöglicht. Excel ist daher für das Qualitätsmanagement ungeeignet. Für die Mitarbeiter ist es eine Zumutung, eine komplexe Aufgabe wie das QM mit unzureichenden Hilfsmitteln wie Excel umsetzen zu müssen. 

Aber die Probleme enden hier noch nicht. Es wird sogar noch schlimmer:

Du willst mehr als ein Zertifikat? Ein gelebtes Qualitätsmanagement mit Excel ist ausgeschlossen! 

Bisher reden wir über ein isoliertes Qualitätsmanagement und eine QM-Dokumentation, die gerade für eine ISO 9001 Zertifizierung ausreicht. Aber wie sieht es aus, wenn das Qualitätsmanagement mehr als ein Papiertiger sein soll? Für ein gelebtes Qualitätsmanagement ist es notwendig, das QM in das tägliche Arbeitsumfeld der Mitarbeiter zu integrieren.  Eine Voraussetzung für ein gelebtes QM ist es, dass jeder Mitarbeiter jederzeit selbständig Informationen zum Qualitätsmanagement abfragen oder beitragen kann. Das Ziel bleibt die Zentralisierung von Informationen und die gleichzeitige Darstellung des Kontextes. 

Bleiben wir dazu bei unserem Beispiel mit den Maßnahmen:

Maßnahmen gibt es natürlich nicht nur im Qualitätsmanagement. Auch ohne QM gibt es in jedem Unternehmen unzählige Maßnahmen, die in unterschiedlichsten Situationen beschlossen oder durch das Management vorgegeben werden. Um für ein gelebtes Qualitätsmanagement die QM-Maßnahmen in den Arbeitsalltag zu integrieren, ist eine gemeinsame Erfassung aller Maßnahmen notwendig. Wir reden hier also nicht mehr über eine Zentralisierung aller QM-Maßnahmen, sondern über eine Zentralisierung aller Unternehmensmaßnahmen. Aber je mehr Maßnahmen wir verwalten und je vielfältiger der Ursprung dieser Maßnahmen ist, desto komplizierter wird es auch, den Kontext zu all diesen Maßnahmen zu dokumentieren.

Zusätzlich ist es für das gelebte QM notwendig, dass alle Mitarbeiter parallel auf diese Daten zugreifen und diese auch bearbeiten können. 

Jetzt stell dir vor, du willst das mit Excel machen: Du musst nicht nur das Problem von Zentralisierung und Kontext für alle Unternehmensmaßnahmen lösen, sondern auch gleichzeitig eine Lösung für die klassischen Excel-Limitationen finden:  Rückverfolgbarkeit, Kollaboration, Datenintegrität, Zugriffskontrolle, Versionskontrolle.

Fazit: Die Entscheidung für Excel ist billig, aber nicht günstig

Für die Dokumentation des Qualitätsmanagements erscheint die Lösung oft naheliegend: Excel. Excel ist sowieso in jedem Unternehmen vorhanden und verursacht keine zusätzlichen Kosten. Dabei ist der Einsatz von Excel im Qualitätsmanagement nur auf den ersten Blick kostenlos. Excel ist nicht für die Dokumentationsanforderungen des Qualitätsmanagements entwickelt. Eine fehlende Datenbankstruktur führt dazu, dass man sich immer zwischen der Zentralisierung und der Kontextualisierung von Daten entscheiden muss. Jede Entscheidung hat Konsequenzen, die Entscheidung für Excel im QM bedeutet unnötige Komplexität, frustrierte Mitarbeiter und ein unglücklicher Auditor. 

Wenn Excel nicht die Lösung ist, dann stellt sich natürlich die Frage nach den Alternativen. Zum einen gibt es natürlich zahlreiche Software-Lösungen, die speziell auf die Dokumentationsanforderungen des Qualitätsmanagements zugeschnitten sind. Egal, für welche Lösung du dich dabei entscheidest, meine Empfehlung ist es, sich weniger Gedanken über die QM-Dokumentation zu machen. Viel mehr solltest du dir die Frage stellen, wie du dein Unternehmen organisierst und dokumentierst, dass ein zertifizierungsfähiges Qualitätsmanagement als Nebenprodukt mit herausfällt.  Aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag.

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