Die ISO 9001 - hier stellvertretend für alle vergleichbaren Managementsysteme - wird von vielen Managern oft als notwendiges Übel betrachtet. Das Zertifikat ist nötig, weil der Kunde es fordert, dabei darf es aber bloß nicht viel kosten, weder Zeit noch Geld. Haben Sie sich jemals gefragt, warum die ISO 9001 bei Geschäftsführern so unbeliebt ist? Vielleicht, weil die Anforderungen der ISO 9001 unnötig umfangreich und kompliziert sind? Ganz im Gegenteil, denn eigentlich sollte Qualitätsmanagement für jeden Manager denkbar einfach sein. Das wahre Problem liegt viel tiefer, als es auf den ersten Blick scheint.
Natürlich ist die ISO 9001 als Lektüre eher sperrig. Es ist mühsam, die Bedeutung der einzelnen Anforderungen tatsächlich zu verstehen und in eine praktische Umsetzung zu übersetzen. Wenn man sich aber die Mühe einmal macht, dann stellt man schnell folgendes fest: Die ISO fordert nur, was jeder pflichtbewusste Manager sowieso tun sollte!
Überschneidungen zwischen Management und ISO 9001
Sie werden sehen, dass die täglichen Aufgaben eines Managers und die Anforderungen der ISO 9001 überraschend viele Gemeinsamkeiten haben:
Kontinuierliche Verbesserung: Wer rastet, der rostet
Jeder Geschäftsführer oder Manager strebt danach, die besten Lösungen für seine Kunden zu finden und die internen Prozesse sowie Abläufe zu optimieren. Kontinuierliche Verbesserung ist der einzige Weg zu nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Die kontinuierliche Verbesserung ist auch das Herzstück der ISO 9001, die darauf abzielt, die Unternehmensleistung zu steigern, die Produkt- und Dienstleistungsqualität zu erhöhen und dadurch die Kundenzufriedenheit zu verbessern.
Somit verfolgen das Management und die ISO 9001 also das gleiche Ziel. Wären das nicht eigentlich beste Voraussetzungen für eine harmonische Symbiose zwischen Management und Managementsystem?
Kundenorientierung: Der Kunde ist König (und sollte es auch sein)
Kundenorientierung ist ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Geschäftsführung. Die ISO 9001 betont die Kundenorientierung ebenfalls und fordert, dass auf Kundenbedürfnisse eingegangen wird, um Kundenzufriedenheit und langfristige Geschäftsbeziehungen sicherzustellen.
Selbst ohne ISO 9001 liegt die Kundenzufriedenheit vielen Managern sehr am Herzen.
Prozessmanagement: Die Kunst, den Laden am Laufen zu halten
Effektives Prozessmanagement ist das Rückgrat jeder gut geführten Organisation. Geschäftsführer identifizieren, steuern und verbessern aktiv die Geschäftsprozesse. Auch die ISO 9001 unterstreicht die Rolle effektiven Prozessmanagements für die Qualitätssicherung von Produkten und Dienstleistungen.
Träumt nicht jeder Manager von einem perfekt abgestimmten Orchester, bei dem jeder Musiker genau weiß, wann und wie er sein Instrument spielen muss – das ist das Ergebnis von effektivem Prozessmanagement.
Strategische Ausrichtung: Ziele setzen und erreichen
Egal, ob Sie ein kleines Start-up oder ein großes Unternehmen führen – Sie wissen, um die Notwendigkeit einer klaren strategischen Ausrichtung, um die Geschäftsziele zu erreichen. Laut ISO 9001 ist es Aufgabe des Managements, Qualitätspolitik und -ziele zu definieren und sie auf die strategischen Ziele des Unternehmens auszurichten.
Letztlich fordert die ISO 9001 nur die Definition zusätzlicher Qualitätsziele für Ihre Produkte oder Dienstleistungen. ISO Zertifizierung hin oder her, diese Anforderung ist für jeden Manager sinnvoll und keineswegs abwegig.
Stakeholder-Management: Alle Beteiligten ins Boot holen
Die Geschäftsführung muss sicherstellen, dass die Interessen aller Stakeholder des Unternehmens identifiziert, verstanden und angemessen berücksichtigt werden, einschließlich der Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und Investoren. Die ISO 9001 betont die Bedeutung der interessierten Parteien und fordert, diese und deren Anforderungen zu identifizieren und in die Planung und Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems einzubeziehen.
Der Begriff ‘interessierte Parteien’ ist etwas umfassender, als ‘Stakeholder’, umfasst aber ähnliche Gruppen. Daher sollte es möglich sein, die ISO 9001 problemlos in ein bestehendes Stakeholdermanagement zu integrieren.
Risikomanagement: Sicherheit geht vor
Die Geschäftsführung muss schon aus Eigeninteressen Risiken identifizieren, bewerten und angehen, um die Stabilität und das Wachstum des Unternehmens zu gewährleisten. Das Ergreifen von Chance ist sowieso der Kern jedes Unternehmertums. Die ISO 9001 fordert ein risikobasiertes Denken, das darauf abzielt, Risiken und Chancen systematisch zu identifizieren und zu bewerten, um die Organisation und ihre Prozesse kontinuierlich zu verbessern.
Mit der Einführung eines Qualitätsmanagements nach ISO 9001 ist Chance- und Risikomanagement für das Management also kein Neuland.
Mitarbeiterführung und -entwicklung: Ein guter Kapitän kümmert sich um seine Mannschaft
Eine gute Geschäftsführung weiß, dass kompetente, engagierte und motivierte Mitarbeiter der Schlüssel zum Erfolg sind. Die ISO 9001 betont ebenfalls die Bedeutung von Mitarbeiterführung und -entwicklung und fordert, dass die Organisation die notwendigen Ressourcen bereitstellt und ihre Mitarbeiter fördert.
Die von der ISO 9001 geforderter Mitarbeiterführung und -entwicklung sollte für das Management also keine zusätzliche Last, sondern tägliches Handwerk sein.
Kommunikation: Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Austausch
Die Geschäftsführung muss sicherstellen, dass effektive Kommunikationskanäle innerhalb der Organisation vorhanden sind und relevante Informationen geteilt werden. Eine offene und ehrliche Kommunikation schafft Vertrauen, fördert die Zusammenarbeit und hilft, Probleme frühzeitig zu erkennen und zu lösen. Die ISO 9001 fordert ebenfalls eine effektive interne und externe Kommunikation in Bezug auf das Qualitätsmanagementsystem.
Für die ISO 9001 können also die ohnehin bestehenden Kommunikationskanäle genutzt werden, um zusätzlich bezüglich des Qualitätsmanagements zu kommunizieren. Nach einem ganz großen Mehraufwand klingt das nicht.
Zusammenfassung: Überschneidungen zwischen Management und ISO 9001
Wir haben festgestellt, dass die Interessen des Managements, insbesondere das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung, Kundenorientierung und Prozessoptimierung, mit den Zielen der ISO 9001 übereinstimmen.
Auch bei den weiteren Anforderungen wie Zielsetzung, strategische Ausrichtung, Stakeholder-Management, Risikomanagement, Mitarbeiterführung und Kommunikation sollte es möglich sein, auf bestehende Strukturen aufzubauen. Selbst wenn ein Unternehmen vor einer ISO 9001 Zertifizierung keine Qualitätsziele festgelegt hat, dann sollten sich diese neuen Ziele mit den dazugehörigen Maßnahmen doch auf die gleiche Weise definieren, dokumentieren und nachverfolgen lassen wie die übrigen Unternehmensziele! Oder etwa nicht? Vielleicht ist es zu viel verlangt, dass man mit der ISO 9001 in allen Unternehmen offene Türen einrennt. Aber der Widerstand vieler Geschäftsführer und Manager, für ein funktionsfähiges Qualitätsmanagementsystem die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, ist dann doch überraschend.
Wenn die Schwierigkeiten mit der ISO nicht in den Anforderungen liegen, was ist dann der Grund?
Unsere These: Die notwendigen Strukturen gibt es nicht!
Wir hatten argumentiert, die ISO 9001 könne auf bestehenden Strukturen aufbauen und sich so nahtlos in das Unternehmen einfügen. Das Problem: Diese Strukturen gibt es nicht!
Viele Unternehmen haben eben keine einheitlichen und zentralen Strukturen, um Ziele zu verfolgen, Risiken zu bewerten, Stakeholder im Blick zu behalten oder Maßnahmen zur Prozessoptimierung zu verfolgen. Alle diese Informationen befinden sich in den Köpfen der Manager und Mitarbeiter, in irgendwelchen E-Mails oder verteilt über unzählige Excel-Tabellen. Doch die ISO 9001 fordert, dass all diese Informationen in einer zusammenhängenden und für Außenstehende verständlichen Form dokumentiert werden. In
In Abwesenheit dieser notwendigen Strukturen findet die ISO 9001 keinen fruchtbaren Boden vor und stößt daher oft auf Ablehnung.
Fazit: Die ISO 9001 - Viel zu oft eine verpasste Chance
Mit einer ISO 9001 Zertifizierung stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, die bisher dezentralen und unstrukturierten Informationen zu zentralisieren und zu strukturieren.
Dabei verpassen Manager oft die Chance, die Dokumentationsanforderungen der ISO als Instrument zur Verbesserung ihrer eigenen Geschäftsprozesse und zur Verbesserung der organisatorischen Effizienz zu nutzen.
Die Einführung der ISO 9001 könnte zum Anlass genommen werden, allgemeingültige Strukturen aufzubauen, in denen der Manager auch die ISO-unabhängigen Ziele, Risiken, Maßnahmen zentral zu dokumentieren. Die Einführung der ISO 9001 könnte dazu dienen, unternehmensweit mehr Transparenz und Verbindlichkeit zu schaffen, indem sie klare Strukturen und Standards für die Unternehmensführung einführt. Natürlich ist Dokumentation immer mühsam, aber das Aufschreiben hilft, Informationen zu ordnen, klarer zu formulieren und so besser zu reflektieren und zu analysieren. Probleme und Herausforderungen können systematischer angegangen und Lösungsansätze und Strategien festgehalten und verglichen werden. Zusätzlich sind die Informationen leichter mit anderen zu teilen. Eine gute Dokumentation bildet die Grundlage für gemeinsame Diskussionen und ermöglicht eine effektivere Kommunikation. Die Einführung der ISO 9001 könnte also genutzt werden, die Strukturen für ein effizientes Management zu schaffen.
Und dann passiert in der Regel der entscheidende Fehler: Bei der Einführung der ISO 9001 werden Lösungen geschaffen, die ausschließlich auf die Umsetzung des Qualitätsmanagements abzielen und den Rest des Unternehmens außer Acht lassen. Mit ein paar schnellen Excel-Tabellen werden die notwendigen Informationen für die Zertifizierung dokumentiert. Dabei werden alle potenziellen Synergien zwischen dem Qualitätsmanagement und dem Management verkannt, ignoriert oder übersehen.
Das Ergebnis sind noch mehr Excel-Tabellen, eine Trennung des Qualitätsmanagements vom Management, verpasste Chance, ein frustrierter QMB, ein genervter Manager und vom Auditor gibt es auch keinen Applaus.
Das Problem mit der ISO 9001 ist nicht die ISO 9001. Die eigentlichen Probleme sind:
- Unzweckmäßige Nutzung von Excel zur ISO Dokumentation.
- Fehlende Strukturen im Management.
- Die Vernachlässigung von Synergien zwischen dem Qualitätsmanagement und dem Management.
Es ist kein Zufall, dass der Begriff ‘Qualitätsmanagement’ das Wort ‘Management’ enthält. Beide Konzepte sind untrennbar miteinander verbunden und auf das gleiche Ziel ausgerichtet: die kontinuierliche Verbesserung und Effizienzsteigerung des Unternehmens.
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