Verhaltensökonomie

Warum wir Mitarbeitern häufig die falschen Anreize bieten

Jeden Tag treffen wir kleine und große Entscheidungen, die die Basis unseres Handelns darstellen. Dabei unterliegen unsere Entscheidungen vielfältigen Einflüssen von außen. Manche dieser Einflüsse sind sehr offensichtlich, andere wiederum so subtil, dass wir sie gar nicht wahrnehmen.

Bei diesen Einflüssen kann es sich um interne Ereignisse, wie aufkommende menschliche Bedürfnisse handeln, oder um externe Ereignisse durch unsere soziale Interaktion oder unseren beruflichen Alltag. Mit welchem Verhalten wir auf diese Ereignisse reagieren, ist abhängig von unserer Motivation und den uns zur Verfügung stehenden Fähigkeit auf das Ereignis zu reagieren:

Handlung = Motivation x Fähigkeit

Insbesondere im Beruf werden in der Regel konkrete Handlungen von uns erwartet. Die gewünschte Handlung erfolgt, wenn die ausreichende Motivation und die notwendigen Fähigkeiten vorhanden sind. Ist einer der beiden Faktoren nur schwach ausgeprägt, muss der zweite Faktor zur Kompensation besonders stark ausgeprägt sein.


In diesem Beitrag beschäftigen wir uns primär damit, wie die Motivation von Mitarbeitern beeinflusst werden kann. Für die Befähigung von Mitarbeitern empfehlen wir unsere Beiträge über Kompetenzmanagement über die Steuerung von Qualifikationen.

Nicht jeder Anreiz führt zur richtigen Motivation

Damit Mitarbeiter Ihren Aufgaben in der gewünschten Art und Weise ausüben ist es wichtig diese auch dazu zu motivieren. Die Motivation der Mitarbeiter ist dabei entweder auf extrinsische oder intrinsische Quellen zurückzuführen.

Die Quellen extrinsischer Motivation sind primär materielle Anreize. Das Verhalten wird geleitet von der Aussicht auf konkrete Vorteile oder Belohnungen von außen (extrinsisch). Aber auch Wertschätzung und Anerkennung durch Vorgesetzte, Kollegen und Kunden kann eine Quelle für extrinsische Motivation darstellen.

Die Quelle intrinsischer Motivation liegt in der Aufgabe selbst. Die Aufgabe ist so interessant oder macht soviel Spaß, dass sie unabhängig von einer möglichen (externen) Gratifikation ausgeübt wird. Auch die mit der Aufgabe verbundene Verwirklichung  persönlicher Werte und Ziele ist eine Quelle intrinsischer Motivation.

Im beruflichen Alltag ist es üblich, dass der Arbeitgeber versucht seine Mitarbeiter über extrinsische Anreize zu motivieren (Incentivierung). Dies beinhaltet primär Bonuszahlungen, Karriereoptionen und die Aussicht auf mehr Macht und Verantwortung. Auch die Aussicht auf zusätzliche Freizeit kann zur extrinsischen Motivation dienen. Entscheidend ist die Frage, ob durch diese Anreize das optimale bzw. gewünschte Handlungsergebnis erzielt werden kann.

Mehr Geld führt nicht zu besseren Leistungen

Das Konzept der Incentivierung ist in der Wirtschaft sehr weit verbreitet, obwohl die Wissenschaft schon vor Jahrzehnten dessen Schwachstellen aufgezeigt hat. Tatsächlich ist es so, dass Aussicht auf externe Anreize (Belohnungen) nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen führt. Ganz im Gegenteil, die Aussicht auf Belohnung kann sogar zu schlechteren Ergebnissen führen. Diskrepanz zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den gängigen Mitteln zur Mitarbeitermotivation wird von dem Schriftsteller Dan Pink in diesem Video sehr anschaulich und unterhaltsam erläutert.

Er beschreibt wie in mehreren Studien Menschen mit einem zu lösenden Problem konfrontiert wurden. Die Versuchsgruppe, der eine Belohnung in Aussicht gestellt wurde, brauchte deutlich länger für die Lösung, als die Vergleichsgruppe, der keine Belohnung in Aussicht gestellt wurde. Dieses Experiment wurde mit gleichen Ergebnisse über Jahrzehnte in unterschiedlichen Kulturen wiederholt. Dabei wurde herausgefunden, dass finanziellen Anreize, dann zu besseren Ergebnissen führen, wenn die Lösung für ein Problem und die dafür notwendigen Handlungsabläufe bekannt sind. Das gewünschte und incentivierte Verhalten beschränkt sich also auf eine handwerksmäßige Ausführung vorgegebener Abläufe. Sobald jedoch kognitive Fähigkeiten zur Lösung des Problems notwendig sind, hemmt extrinsische Motivation die Kreativität und die Probanden benötigen für die Lösung sogar mehr Zeit.

“Wir stellen fest, dass finanzielle Anreize einen negativen Einfluss auf die Gesamtleistung haben können.” Dr. Bernd Irlenbusch, London School of Economics

Intrinsische Motivation ist der Schlüssel für bessere Leistungen

Dan Pink stellt heraus, dass sich die beruflichen Tätigkeiten immer mehr von handwerklichen Arbeitsabläufen zur Lösung offener Problemstellungen verschieben. Das Konzept der Incentivierung durch externe bzw. finanzielle Anreize hat sich daher für viele Jobs überlebt.

Um bessere Ergebnisse bei der Lösung von offenen Problemen zu erzielen, liegt der Schlüssel in der intrinsischen Motivation. Nach aktuellen Forschungsergebnissen sind dazu vor allem drei Dinge aufseiten der Arbeitnehmer wichtig. Die Mitarbeiter brauchen ein Gefühl der Autonomie in der Ausübung ihrer Tätigkeit. Sie brauchen ein Gefühl von Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit und sie brauchen das Gefühl einer persönlichen Weiterentwicklung.

Unter anderem Google und das australische Softwareunternehmen Atlassian haben mit dieser Form der Mitarbeitermotivation bemerkenswerte Erfolge erzielt.

Microsoft Encarta vs. Wikipedia

Als plakatives Beispiel für den Zusammenhang, dass finanzielle Anreize nicht zu besseren Ergebnissen führen müssen führt Dan Pink die Verdrängung von Encarta durch Wikipedia an. In den 1990er Jahren hat Microsoft die Enzyklopädie Encarta entwickelt. Microsoft hat viel Geld in die Planung, Entwicklung und Überwachung, sowie in die Autoren der notwendigen Fachartikel investiert. Im Jahr 2001 wurde die online Enzyklopädie Wikipedia als gemeinnütziges Projekt gegründet. Wikipedia finanziert sich ausschließlich durch Spenden. Die Autoren beteiligen sich aus eigenem Interesse und werden für Ihre Arbeit nicht vergütet. Innerhalb weniger Jahre wurde Encarta durch Wikipedia vollständig verdrängt, so das Microsoft Encarta im Jahre 2009 gänzlich eingestellt hat. Dies zeigt auf, welche Erfolge realisiert werden können, wenn die Menschen aus eigenem (intrinsischem) Antrieb handeln.

Die zentrale Erkenntnis sollte also sein, dass Unternehmen es sich selbst zu einfach machen, wenn sie versuchen ihre Mitarbeiter zu besseren Arbeitsleistungen zu bewegen. Vielmehr ist es notwendig, dass für jede Tätigkeit die richtigen Anreize gefunden werden.

Wie können Anreize aufgabengerecht gestaltet werden

Die entscheidende Frage die jetzt wie Anreize aufgabengerecht gestaltet werden können. Nach wie vor hat die klassische Incentivierung durch externe Anreize nicht vollständig ihre Existenzberechtigung verloren. Bei einfachen und repetitiven Aufgaben, die keine Kreativität oder anderweitige ausgeprägten kognitiven Fähigkeiten erfordern können so bessere Ergebnisse erzielt werden. Für anderweitige Aufgaben haben sich die Konzepte des Nudge und der Gamification etabliert, um ein gewünschtes menschliches Verhalten zu bewirken.

Der Nudge oder auch libertärer Paternalismus

Bei einem Nudge (zu Deutsch Stoß oder Schubs) handelt es sich um subtile Maßnahmen um das menschliche Verhalten zu beeinflussen. Es werden Bedingungen geschaffen, die es dem Menschen möglichst leicht machen die vermeintlich richtige Entscheidung zu treffen, ohne Ihnen dabei Entscheidungsfreiheit zu nehmen.

  • Wird in einem Buffet Obst erhöht in Griffnähe präsentiert Süßwaren dagegen weiter entfernt, greifen die Nutzer öfter zum Obst.
  • Wird das System der Organspende so gestaltet, dass jeder als Organspender gilt, bis er sich aktiv dagegen entscheidet, kann die Anzahl der Organspender deutlich erhöht werden.
  • Durch Warnhinweise auf Zigarettenschachteln oder auch eine sogenannte Lebensmittel-Ampel können Verbraucher dazu angeleitet werden, die für Sie gesündere Entscheidung zu treffen.
  • Automatische Erinnerungsfunktionen eines Kalenders führen dazu, dass Termine nicht vergessen werden.

Häufig nutzen Nudges den menschlichen Hang zur Bequemlichkeit aus und suggerieren dabei die vermeintlich richtige Entscheidung. Wichtig ist dabei, dass Nudges transparent und nicht irreführend sind, sowie dass es möglichst leicht sich gegen einen Nudge zu entscheiden. Es darf nicht ein Eindruck einer Bevormundung entstehen. Da häufig auch die Politik auf Nudges zurückgreift, um ein vermeintlich gesellschaftsdienliches Verhalten zu fördern wird dabei auch von libertären Paternalismus gesprochen.

Das Konzept des Nudges erinnert dabei an eine abgeschwächte Form des Poka Yoke. Durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen soll ein unerwünschtes (fehlerhaftes) Verhalten ausgeschlossen, bzw. reduziert werden.

Mehr Spaß an der Arbeit durch Gamification

Während man durch die Anwendung von Nudges, anderen Menschen die Handlung zu erleichtern versucht, besteht das Prinzip der Gamification darin spieltypische Elemente in eine spielfremde Umgebung einzubetten. Durch eine unterhaltsamere oder interessantere Gestaltung der Aufgabe soll der Mitarbeiter stärker intrinsisch motiviert und die Arbeitsleistung verbessert werden.

Bei einer erfolgreichen Umsetzung von Gamification wird die Ausübung einer Tätigkeit, ähnlich wie bei einem Spiel, zu einem Selbstzweck. Die eigentliche Tätigkeit steht stärker im Fokus, als das Ergebnis selbst. Gamification wird oft mit Belohnungssystemen in Verbindung gebracht. Dies greift jedoch zu kurz, da es sonst sehr stark der klassischen Incentivierung ähneln würde, die eigentlich durch alternative Konzepte substituiert werden soll. Gamification basiert stärker auf den von Dan Pink genannten Voraussetzungen für intrinsische Motivation. Für ein gesteigerte intrinsische Motivation durch Gamification müssen folgende Rahmenbedingungen gelten:

  • Herausforderung: Die Aufgabe muss eine Herausforderung sein, um den Ehrgeiz des Mitarbeiters zu wecken. Nur, wenn die Aufgabe eine Herausforderung ist, kann die Bewältigung der Aufgabe zu einem Gefühl der Befriedigung führen. Damit dies dauerhaft gegeben ist, muss die Schwierigkeit der Aufgabe im Zeitverlauf steigen.
  • Klare Erwartungshaltung: Dem Mitarbeiter muss eine klare Erwartungshaltung vermittelt werden. Diese bedeutet, dass der Mitarbeiter eine konkrete Zielvorgabe benötigt. Die Herausforderung des Mitarbeiters ist es den Weg zu diesem Ziel zu finden.
  • Entscheidungsautonomie: Im Rahmen der Lösungsfindung ist notwendig, dem Mitarbeiter ein hohes Maß an Entscheidungsautonomie einzuräumen. Nur, wenn der Mitarbeiter eigene Entscheidungen treffen kann wird er sich auch mit der Aufgabe identifizieren können.
  • Messbarkeit: Der Mitarbeiter muss in der Lage sein eigenes Handeln bewerten zu können. Nur dann kann der Mitarbeiter erkennen, ob er auf dem richtigen Weg ist oder ob Anpassungen notwendig sind. Der Mitarbeiter braucht also regelmäßiges direktes Feedback zu seiner Aufgabe. Kann der Mitarbeiter nicht beurteilen, ob sein Handeln zielführend ist, wird die Aufgabe Ihren Reiz verlieren.

    • Klares Regelwerk: Um eine Strategie zur Lösungsfindung zu erarbeiten, muss der Mitarbeiter die Regel kennen und muss wissen welches Handeln zulässig ist und welches nicht. Ist dies nicht von vorneherein klar, führt dies auf Dauer zu Frustration.

    Bei genauer Betrachtung dieser Rahmenbedingungen fällt auf, dass diese z.B. auch für jedes klassische Brettspiel gelten. Auch Spiele sind ein Selbstzweck und werden in der Regel nicht wegen einer möglichen Belohnung gespielt.

    Nudge vs. Gamification

    Nudges und Gamification lassen sich nicht immer klar voneinander abgrenzen. Grundsätzlich gibt es auch kein Patentrezept wie das eine oder andere erfolgreich umgesetzt werden kann. Die wichtigste Erkenntnis sollte jedoch sein, dass mehr Geld allein häufig nicht der richtige Anreiz ist, um das gewünschte oder optimale Verhalten von Mitarbeitern zu fördern. Es lohnt sich die aktuell gängigen Konzepte der Incentivierung zu hinterfragen und sich Gedanken zu machen, wie die Aufgaben der Mitarbeiter interessanter gestaltet werden können. Es ist oft verblüffend mit welchen einfachen Mittel Menschen sich in Ihrem Handeln beeinflussen lassen.

    Das wohl bekannteste Beispiel für einen erfolgreichen Nudge ist die urinal fly, ein Aufkleber mit dem Abbild einer Fliege in Pissoirs. Die Aufkleber wurde in den 90er Jahren am Amsterdamer Flughafen Schiphol vom Flughafenmanager Aad Kieboom eingeführt, um die Menge des Urins, die auf dem Boden landet, zu reduzieren. Obwohl die Idee sehr simpel ist, konnten die Verschmutzungen durch den Aufkleber um 80 % reduziert werden. Obwohl der Aufkleber in der Literatur als Nudge gilt, enthält die Idee Männern beim Pinkeln ein Ziel zu geben auch ganz klar die Elemente von Gamification.

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