Viele Unternehmen investieren beträchtliche Ressourcen in die Implementierung und die Zertifizierung ihrer Qualitätsmanagementsysteme (QMS). Obwohl der Qualitätsmanagementstandard ISO 9001 über eine breite internationale Akzeptanz verfügt, sind die Diskussionen über den tatsächlichen Nutzen des Qualitätsmanagements von Kontroversen und Meinungsverschiedenheiten geprägt.
Unklarer Nutzen von Qualitätsmanagement
Werden Unternehmen zu den Auswirkungen von Qualitätsmanagementsystemen befragt, wird regelmäßig die verbesserte Qualität von Produkten und Dienstleistungen, als wesentlicher Nutzen des Qualitätsmanagements genannt. Aber auch ein erhöhtes Qualitätsbewusstsein der Mitarbeiter und eine die Verringerung der Fehlerkosten stellen einen wichtigen Mehrwert des Qualitätsmanagements dar.
Viele Meinungen über den Nutzen von QM-Systemen nach ISO 9001 fallen jedoch auch deutlich kritischer aus. Obwohl Qualitätsmanagement nach ISO 9001 den gleichen Nutzen für große und kleine Unternehmen bieten soll, sind es insbesondere kleinere Unternehmen die angeben keinen tatsächlichen Nutzen durch ein QMS nach ISO 9001 erlangen zu können oder sogar negative Aspekte beklagen. Am häufigsten wird eine Zunahme bürokratischer Strukturen, eine Steigerung der Kosten und eine Verschlechterung der Arbeitsmoral genannt.
Nutzen von Qualitätsmanagement objektiv schwierig zu beurteilen
Diese konträren Beurteilungen der Auswirkungen eines Qualitätsmanagements nach ISO 9001 resultiert aus zwei Aspekten. Zum einen hängt der Nutzen des Qualitätsmanagements nicht von dem Qualitätsmanagementstandard ISO 9001 selbst ab, sondern viel mehr von der Art und Weise wie der Standard durch ein Unternehmen umgesetzt wird. Zum anderen ist es sehr schwierig den Nutzen eines QMS tatsächlich zu quantifizieren. Ein Qualitätsmanagementsystem kann sehr viele unterschiedliche Unternehmensprozesse positiv beeinflussen, ist aber gleichzeitig auch immer mit organisatorischem Aufwand verbunden. Nur sehr wenige Organisationen investieren überhaupt die notwendige Zeit diese gegenläufigen Aspekte umfassend zu analysieren und zu beurteilen. Daher erfolgen die meisten Einschätzungen auf der Grundlage subjektiver Eindrücke anstatt objektiver Auswertungen.
Durch die langfristige Ausrichtung von Qualitätsmanagementsystemen wird eine objektive Beurteilung zusätzlich deutlich erschwert. Die Entscheidung zur Einführung eines Qualitätsmanagements und das Einsetzen der tatsächlichen Auswirkungen fallen zeitlich häufig so weit auseinander, dass eine isolierte Betrachtung des Systems nur noch schwer möglich ist.
Dies führt dazu, dass organisatorische Verbesserungen häufig gar nicht mehr dem QMS zugerechnet werden. In Befragungen wird von verantwortlichen Managern häufig angegeben, dass erzielte organisatorische Verbesserungen völlig unabhängig vom Qualitätsmanagement entwickelt und umgesetzt wurden. Es scheint also, dass die Ursache und die Auswirkung im Bereich organisatorischer Veränderungen häufig nicht mehr ausreichend miteinander in Verbindung gesetzt werden.
Der tatsächliche Nutzen von Qualitätsmanagementsystemen
Dies führt zu der Frage, welchen Nutzen Qualitätsmanagement nach ISO 9001 tatsächlich bieten kann und welche Erwartungshaltung für Unternehmen realistisch ist.
Die Betrachtung wissenschaftlicher Auswertungen zu dem Nutzen von Qualitätsmanagement zeigt die Vielschichtigkeit der möglichen Effekte auf. Zur Strukturierung des möglichen Nutzens wird zwischen direkten und indirekten sowie zwischen internen und externen Effekten des Qualitätsmanagements unterschieden.
Die internen Effekte betreffen alle durch das Qualitätsmanagement angestoßenen Veränderungen innerhalb des Unternehmens. Die externen Effekte spiegeln den Einfluss des Qualitätsmanagementsystems auf die Außenwahrnehmung und die Marktposition des Unternehmens wider.
Die direkten Effekte beinhalten alle Aspekte die unmittelbar durch die Einführung des Qualitätsmanagements selbst oder die Zertifizierung erreicht werden. Diese Effekte lassen sich leicht identifizieren. Die indirekten Effekte dagegen ergeben sich erst aus einem langfristig bestehenden gelebten Qualitätsmanagement. Diese Effekte zu erlangen ist wesentlich aufwendiger, bietet aber langfristig den deutlich größeren Nutzen für das Qualitätsmanagement.
Direkte interne Effekte des Qualitätsmanagements
Einer der wesentlichen internen direkten Effekte ist die Standardisierung der organisatorischen Prozesse. Die strukturierte Aufbereitung der Arbeitsabläufe verleiht dem Unternehmen deutlich mehr Ordnung und Transparenz. Prozesse und Abläufe können deutlich sachlicher diskutiert und Probleme leichter aufgespürt und identifiziert werden. Insgesamt wird die gezielte Steuerung der Unternehmensprozesse deutlich vereinfacht. Für die Mitarbeiter können die standardisierten Arbeitsbeschreibungen eine große Unterstützung darstellen, insbesondere für Tätigkeiten die nur unregelmäßig ausgeführt werden müssen. So können z.B. auch neue Mitarbeiter deutlich leichter in die Unternehmensprozesse eingearbeitet werden.
Indirekten interne Effekte des Qualitätsmanagements
War die Einführung des Qualitätsmanagements erfolgreich stellen sich langfristig die indirekten Effekte des Qualitätsmanagements ein.
Genau hier liegt die Herausforderung für die Umsetzung erfolgreicher Qualitätsmanagementsysteme. Unternehmen und deren Mitarbeiter benötigen ein hohes Maß an intrinsischer Motivation die eigenen Unternehmensprozesse langfristig weiterzuentwickeln. Die Erfüllung der Mindestanforderungen der ISO 9001 reicht in der Regel nicht aus.
Sind die notwendigen Bedingungen für ein gelebtes Qualitätsmanagement gegeben gewinnen die Mitarbeiter Kompetenzen im Umgang mit standardisierten Prozessen und werden zunehmend für die Effizienz dieser Prozesse sensibilisiert.
(Lesen Sie hier mehr über die erfolgreiche Einführung eines gelebten Qualitätsmanagements)
Die Mitarbeiter beginnen bestehende Prozesse zu hinterfragen und Verbesserungspotentiale wahrzunehmen, die zuvor nicht aufgefallen sind. Dies sind die wichtigsten Voraussetzungen für die langfristige Etablierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP). Der KVP ist ein Grundprinzip des Qualitätsmanagements, in dessen Rahmen die Unternehmensprozesse in kleinen Schritten fortwährend überarbeitet werden. Dies führt langfristig zu effizienteren und effektiveren Arbeitsabläufen und steigert die Produktivität des Unternehmens. Die Produktqualität nimmt langfristig zu, was gleichzeitig zu einer Reduktion der Fehlerkosten und der Reklamationsquoten führt. Hieraus können deutliche Kostenersparnisse resultieren und die Kostenstrukturen des Unternehmens langfristig verbessert werden.
(Lesen Sie hier mehr über die Reduktion von Fehlerkosten)
Durch die systematische Auswertung aller durch das Qualitätsmanagement erfassten Informationen über die Unternehmensprozesse ergibt sich in Verbindung mit der verbesserten Prozesssteuerung durch die Standardisierung die Möglichkeit zur deutlich effizienteren Unternehmensführung.
Direkte externe Effekte des Qualitätsmanagements
Direkt nach der Zertifizierung des Unternehmens kann das Zertifikat als Marketinginstrument zur Verbesserung der Außenwahrnehmung des Unternehmens beitragen. Eine Zertifizierung nach ISO 9001 legt für außenstehende Dritte ein funktionierendes Qualitätsmanagement nahe und suggeriert eine hohe Prozess- bzw. Produktqualität.
So kann mithilfe des Zertifikats die Neukundengewinnung unterstützt und die bestehende Marktposition ausgebaut werden. Durch das Zertifikat können aber auch bestehende Kundenbeziehungen verbessert werden. Wird beispielsweise eine Zertifizierung nach ISO 9001 durch Kunden gefordert, so wäre diese Anforderung erfüllt.
Diese Effekte gelten unabhängig davon, ob mithilfe der indirekten Effekte die Produkt- oder Prozessqualität tatsächlich gesteigert werden konnte.
Indirekte externe Effekte des Qualitätsmanagements
Die indirekten externen Effekte basieren auf den indirekten internen Effekten. Der wichtigste dieser Effekte ist, dass durch die Verbesserung der Produktqualität die Kundenzufriedenheit erhöht werden kann. Neben einer Verbesserung der bestehenden Kundenbeziehungen wirkt sich eine gesteigerte Produktqualität auch langfristig positiv auf die Neukundengewinnung aus. Dies kann zu einer erheblichen Verbesserung der Marktposition führen. Durch die verbesserte Kostenstruktur aufgrund rückläufiger Fehlerkosten bestehen zusätzlich mehr Freiräume in der Preisgestaltung, was ebenfalls mehr Spielräume für die eigene Marktpositionierung zulässt.
Die indirekten externen Effekte führen zu ähnlichen Auswirkungen wie die direkten externen Effekte, beide beeinflussen die Kundenbeziehungen und die Marktposition. Die indirekten externen Effekte beruhen jedoch auf einem tatsächlichen Nutzen durch das Qualitätsmanagement, der den Kunden geboten wird. Die direkten Effekte hingegen sind lediglich das Resultat einer verbesserten Außendarstellung. Somit muss angenommen werden, dass die indirekten externen Effekte einen nachhaltigeren und umfassenderen Nutzen für das Qualitätsmanagement bieten als die direkten externen Effekte.
Fazit der Analyse
Die Realisierung interner und externer indirekter Effekte ist ein langfristiger Prozess und erfordert ein systematisches und zielorientiertes Arbeiten. Durch die Erfüllung der Mindestanforderungen und eine Zertifizierung allein können diese Effekte nicht erzielt werden. Der volle Mehrwert eines Qualitätsmanagementsystems nach ISO 9001 kann nur mit einem klaren Fokus auf eine langfristige Optimierung der Unternehmensprozesse realisiert werden. Aus diesem Grund können sich die mit ISO 9001 erzielten Ergebnisse erheblich von Organisation zu Organisation unterscheiden.
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Dieser Artikel basiert auf wissenschaftlichen Studien die uns durch die Technische Universität Berlin zur Verfügung gestellt wurden, diese sind leider nicht frei zugänglich. Zur Vereinfachung verweisen wir daher nur auf unsere Primärquelle:
Pokinsaka, B., Eklund, J. A. E., Dahlgaard, J. J. (2006): “ISO 9001: 2000 in small organisations - Lost opportunities, benefits and influencing factors“, International Journal of Quality & Reliability Management, Vol. 23 No. 5, S. 490-512.
Comments 4
Sehr gut geschriebener und informativer Artikel!
Da keine Möglichkeit besteht auf die Primärquelle zuzugreifen, würden Sie mir bitte das Datum der Veröffentlichung des Artikels auf Ihrer Homepage nennen? Ich würde diesen Artikel gerne als Quelle für eine Seminararbeit nutzen.
Vielen Dank im Voraus!
Freundliche Grüße
Max
Author
Hallo Max,
vielen Dank für dein Feedback, wir freuen uns, dass dir unser Artikel gefällt. Wir haben den Artikel am 21. Februar 2017 veröffentlicht.
Viel Erfolg für deine Seminararbeit.
Mit besten Grüßen,
Lutz
Vielen dank für die zügige Antwort!
Author
Wir freuen uns, dass wir helfen konnten!