Über die Urheberrechtsreform der Europäischen Union wurde in den vergangenen Wochen und Monaten sehr viel berichtet, diskutiert und protestiert. Um Sie auf den aktuellen Stand zu bringen, fassen wir kurz für Sie zusammen worum es geht.
Die Urheberrechtsreform der Europäischen Union soll das Urheberrecht an die Gegebenheiten der digitalen Gesellschaft anpassen. Ziel ist es „sicherzustellen, dass das Urheberrecht und damit zusammenhängende Praktiken auch in diesem neuen digitalen Umfeld ihren Zweck weiterhin erfüllen.“ Die beiden Artikel, die dabei erheblich kritisiert werden sind, Artikel 11 und Artikel 13. Im finalen Fassung wurden diese zu Artikel 15 beziehungsweise Artikel 17, für einen kohärenten Artikel bleiben wir jedoch bei den Bezeichnungen Artikel 11 und Artikel 13.
Artikel 11 - Warum Suchmaschinen bald anders aussehen
Artikel 11 behandelt das sogenannte Leistungsschutzgesetz. Wenn man in einer Suchmaschine z.B. Google nach aktuellen Nachrichten sucht, sieht man zu jedem verlinkten Artikel eine kurze Vorschau. Diese Vorschau kann dem Leser bereits eine ausreichende Zusammenfassung des Inhalts bieten. Dies kann dazu führen, dass der Leser sich nicht den vollständigen Artikel auf der Seite des Herausgebers anzeigen lässt. Dem Herausgeber können durch weniger Besucher auf der eigenen Webseite wichtige Werbeeinnahmen verloren gehen. Als Kompensation sollen die herausgebenden Verlage in Zukunft von der Suchmaschinen für ihre Verlinkung finanziell entlohnt werden. Im finalen Konsens unter TITLE IV CHAPTER 1 Rights in publications Article 11 heißt es:
“Member States shall provide publishers of press publications established in a Member State with the rights provided for in Article 2 and Article 3(2) of Directive 2001/29/EC for the online use of their press publications by information society service providers. These rights shall not apply to private or non-commercial uses of press publications carried out by individual users.”
Übersetzt bedeutet dies, dass die Mitgliedstaaten den Verlegern von Presseveröffentlichungen, die in einem der Mitgliedstaaten angesiedelt sind, die in Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Rechte für die Online-Nutzung ihrer Presseveröffentlichungen von Dienstleistern der Informationsgesellschaft verleihen. Diese Rechte würden nicht für private oder nicht-kommerzielle Nutzung von Presseveröffentlichungen gelten.
Google und andere Plattformen können und will dieser Anforderung nach eigener Aussage nicht gerecht werden. Google hat bereits angekündigt, dass es den News-Feed für Europa deaktivieren wird, sobald das neue Urheberrecht in spätestens zwei Jahren in Kraft tritt. Über die Reform wurde am 15. April Ministerrat final abgestimmt. 70 % der EU-Staaten haben für die Reform gestimmt. Unter diesem Link können Sie sich das detaillierte Ergebnis anschauen.
In Zukunft sollen Verlage also an Überschriften und an Textauszügen, die von Google oder andere Dienstleister dargestellt werden, ebenfalls verdienen. Dies bedeutet, dass zukünftig, alle Dienstleister der Informationsgesellschaft für Auszüge aus Texten von Verlegern bezahlen müssen. Unter Dienstleister der Informationsgesellschaft wird laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes jedes Unternehmen gefasst, welches durch seine Präsenz im Internet Geld verdient.
Nur bei einem kurzen Auszug eines Textes sei man von der Zahlung befreit. Doch wie wird "kurz" definiert? Gar nicht. Die Forderung, Geld an die Verlage zu zahlen, würde dazu führen, dass Google nur noch Links und keine Inhalte mehr als Treffer anzeigen würde, keinen Nutzen mehr erfüllt. Dies wiederum kann auch nicht im Interesse der Verleger sein kann, da dadurch die Klickrate (CTR) ebenfalls abnehmen wird.
Das gleiche Szenario würde es bei Facebook geben. Wenn man zum Beispiel einen Link teilt, werden gleichzeitig das Bild und ein Auszug aus dem Text angezeigt, damit der Link ansprechender für den Nutzer ist und öfter geklickt wird.
Von dem Artikel 11 sind Privatpersonen ausgenommen, aber fraglich ist, wer für die Veröffentlichung verantwortlich ist, die Privatperson oder Facebook? Darüber lässt sich streiten. Hier können Sie sich ansehen, wie Google aussehen würde, wenn Artikel 11 in Kraft treten würde.
Artikel 13 - Der Grund für Wikipedias Shutdown
Bevor wir klären was Artikel 13 beinhaltet, stellen wir einmal klar, für wen dieser Artikel gelten würde. In dem Report heißt es unter Amendment 61, Proposal for a directive, Article 2 – paragraph 1 – point 4 b (new):
“‘online content sharing service provider’ means a provider of an information society service one of the main purposes of which is to store and give access to the public to copyright protected works or other protected subject-matter uploaded by its users, which the service optimises."
Sinngemäß heißt das: Jede Plattform die den Nutzern erlaubt Inhalte und Informationen auf diese Plattform hochzuladen, um sie mit der Öffentlichkeit zu teilen ist von dem Artikel betroffen.
Mit "copyright protected works" ist generell urheberrechtlich geschütztes Material, wie Fotos, Videos und Texte, also sämtliches ins Internet hochgeladene Material. Ausgenommen davon sind unter anderem "online encyclopaedia, educational or scientific repositories, online retail of physical goods" zum Beispiel Wikipedia, und eBay. Und obwohl Wikipedia als Online-Enzyklopädie nicht zu befürchten habe, wurde die deutschsprachige Version am 21.03.2019 aus Protest für 24 Stunden abgeschaltet. Ferner haben sich vor der Abstimmung über die neue Urheberrechtsreform etliche Institutionen gegen die Bedingungen ausgesprochen. In diesem offenen Brief haben mehrere Bundesverbände, Presseverbände und Vereine, so wie verschiedene Menschenrechtsorganisationen und Digitalrechtsorganisationen die Forderungen des Artikel 13 kritisiert. Weiterhin haben sich Wissenschaftler verschiedener Universitäten gegen beide Artikel ausgesprochen, da sie grundsätzlich fehlerhaft (im Orginal: fundamentally flawed) seien und dringend überarbeitet oder aus der Reform gestrichen werden müssten.
Plattformen haften für ihre User
Die Plattformen, die von Artikel 13 betroffen sind, sollen zukünftig haften, wenn User gegen das Urheberrecht verstoßen. Wenn jemand also auf eine Plattform ein Foto hochlädt, was ihm nicht gehört, dann haftet die Plattform dafür. Um die Richtlinien einzuhalten, muss die Plattform vorher Lizenzverträge mit den Urhebern abschließen, was aber nahezu unmöglich ist, da jeder Nutzer des Internets potenzieller Urheber von Videos, Texten und Fotos ist. Darüber hinaus soll durch "effektive Technologien" (Im Report unter Amendment 42 Proposal for a directive Recital 38, 5. Abschnitt) die Verfügbarkeit von nicht lizenzierten Werken gesteuert werden. Womit wir zu den sogenannten Uploadfiltern kommen:
Uploadfilter
Vor der Veröffentlichung des Inhalts soll geklärt werden, ob eventuelle Urheberrechte verletzt werden würden. Dazu müsste es also mit allen existierenden Medien abgeglichen werden. Bei den milliarden Daten, die täglich ins Internet hochgeladen wird, ist das aufwendig und zeitintensiv. Die Unmittelbarkeit des Internets und das Recht auf Meinungsfreiheit, würden damit außer Kraft gesetzt werden. Mal ganz davon abgesehen, dass Zitate, Satire und Parodien etc. nicht von einem Computer als solche erkannt werden können. Dies würde folgendes Szenario bedeuten können: Damit Internetseiten nicht haften müssen, würden Sie sehr strenge Uploadfilter einrichten, dies würde dazu führen, dass nur noch sehr wenige Inhalte auf den Plattformen hochgeladen werden dürfen. Dieser Umstand hat in den letzten Monaten für scharfe Kritik aus der Bevölkerung gesorgt. Von einer Petition gegen den Artikel 13, mit über fünf Milionen Unterschriften und etlichen bundesweiten Demonstrationen. Am 28.03.2019 der CDU-Generealsekretär in einer Talkrunde angekündigt, dass es in Deutschland keine Uploadfilter, die Inhalte im Vorfeld prüfen geben wird. Stattdessen sollen Inhalte nachträglich von den Plattformen geprüft werden. Den Ausschnitt können Sie sich hier ansehen.
Günther Oettinger, EU-Kommissar für Haushalt und Personal und ehemals Kommissar für die Digitale Gesellschaft und Wirtschaft, hat in diesem Interview deutlich gemacht, dass die EU-Kommission einen Sonderweg nicht akzeptieren werde.
Warum Uploadfilter nicht praxistauglich sind, hat der Rechtsanwalt Christian Solmecke in diesem Video anschaulich erläutert.
Kommt jetzt doch alles anders? Die Protokolländerung
Im Zusammenhang mit der Abstimmung am 15. April haben die einzelnen Staaten, Stellungnahmen in Bezug auf die Urheberrechtsreform abgegeben. Das Dokument ist hier zu finden, es beinhaltet auch die Statements der Nationen, die gegen die Urheberrechtsreform gestimmt haben. Die deutsche Bundesregierung, sei für die Richtlinie und bedauere, dass im Vorfeld kein Konzept erarbeitet werden konnte, mit dem alle Seiten zufrieden seien. Man vertrete stets die Ansicht, dass Kreative besser für den Gebrauch ihrer Werke vergütet werden sollen, müsse aber auch die massive Kritik seitens der deutschen Gesellschaft in Bezug auf Uploadfilter anerkennen. Im 4. Abschnitt heißt es, man gehe davon aus, dass man sich auf EU-Ebene darauf einige auf Uploadfilter zu verzichten und mit den Mitgliedstaaten eine einheitliche Umsetzung der Richtlinie vereinbare, da die Umsetzung in 27 nationalen Varianten nicht mit den Prinzipien des Europäischen Digitalen Binnenmarktes vereinbar wäre. In Abschnitt 6 verspricht die Bundesregierung, dass man Artikel 17 so auslege, dass nur große Konzerne wie YouTube oder Facebook betroffen wären. Anschließend nennt die Bundesregierung eine Reihe von Plattformen, die nicht von der Richtlinie betroffen seien, darunter auch Wikipedia, Blogs und Foren. In den letzten Abschnitten wird erklärt, dass die Bundesregierung es sich zur Aufgabe mache, praktikable Lösungen für die Lizenzierung von Inhalten zu finden. Wenn Sie sich das gesamte Statement durchlesen möchten, klicken Sie auf den oben genannten Link.
Welche Folgen hat die neue Urheberrechtsreform für Unternehmen?
Wie die Umsetzung von der Urheberrechtsreform in Zukunft aussehen wird, steht noch nicht fest. Mit der eingereichten Protokolländerung haben sich die Formulierungen zur Reformierung des Urheberrechts noch einmal deutlich geändert. Die Urheberrechtsreform wurde abschließend abgestimmt, die Staaten der EU haben nun zwei Jahre Zeit die Richtlinie in nationale Gesetze zu fassen. Den Mitgliedstaaten der EU wird jedoch ein gewisser Freiraum gewährt, diese für die jeweilige Nation anzupassen. Sollte die deutsche Bundesregierung die Stellungnahme in den genannten Punkten umsetzen, würden die Urheberrechtsreformen nur für große Konzerne gelten. Dies kann wiederum aber jedes weitere Unternehmen negativ beeinflussen, dass diese Plattformen für Marketingzwecke nutzt. Somit kann auch Ihr Unternehmen von der Urheberrechtsreform betroffen sein. Wie die Richtlinie konkret umgesetzt wird, wer letztendlich davon profitieren und wem sie schaden wird, bleibt abzuwarten. Wenn Sie auf dem Laufenden sein möchten und stets über neue Blogartikel informiert werden möchten, können Sie unseren Newsletter abonnieren.
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